Einstimmung
    Wenn ich über Kunst nachdenke
    hüpft mein Herz
    Wenn ich über Kunst nachdenke
    fallen mir alte Meister ein
    Wenn ich über Kunst nachdenke
    erinnere ich mich an die letzte Ausstellung
    Wenn ich über Kunst nachdenke
    freue ich mich auf den Besuch der Dokumenta
    Hier im Mettlen Park
    schreiben ein paar Interessierte über Kunst.
 
    
Blumenkopf
    Ich bin von Hand geschaffen
    aus Ton geformt
zwei Mal gebrannt
bin wintertauglich
    Mittelschwer im Gewicht
    mein Gesicht gleicht das einer Frau
    meine Haarpracht besteht aus Efeu
    giessen und nicht waschen,
    das weiss Heidi, meine Schöpferin,
    dann erwecke ich viele Jahre Freude
    und lächle immerfort.
 
    
Grosse Liebe
Ich erzähle dir gerne von meiner ersten grossen Liebe. Im Gegensatz zu mir, hat sie gerne geredet. Nach unserer ersten Verabredung hat sie mir ein leeres Buch geschenkt „auf dass wir uns bald wieder sehen“, hat sie gesagt, "du sollst die leeren Seiten mit Buchstaben füllen“.
Woher kommst Du? Begann mein erster Satz. Darauf folgten zwei leere Seiten; danach ein paar gezeichnete Buchstaben. Ich musste immerfort an sie denken. Das erste Kapitel erzählte dann von einer Skulptur im Mettlen Park. Sie bestünde nur aus Buchstaben. Und bei richtigem Lichteinfall, zeige sie ihr hübsches Gesicht - meine zweite grosse Liebe.
Einstimmung
Wenn ich über Kunst nachdenke,
erinnere ich mich an kreative und tanzende Momente in meinem Leben.
Wenn ich über Kunst nachdenke,
fliegen meine Gedanken auf und davon.
Wenn ich über Kunst nachdenke,
hüpft meine Seele auf und ab.
Wenn ich über Kunst nachdenke,
empfindet mein Körper Freiheit.
Heute hier im Mettlenpark
verspüre ich Vorfreude aufs Schreiben.
Karin Bütikofer, Jegenstorf
 
    
Säule
Ich bin eine Säule und stehe aufrecht zwischen Himmel und Erde.
Die Verbindung zur Erde vermittelt mir Stabilität.
Ich fühle mich getragen und gehalten. Dadurch verspüre ich Sicherheit und Unterstützung.
Die Verbindung zum Himmel schenkt mir Freiheit.
Ich entdecke Spielräume und schicke meine Fantasie auf Reisen. Dadurch verspüre ich
Gelassenheit und Präsenz.
Ich wünsche mir, dass meine Betrachter*innen genau das aus unserer Begegnung mitnehmen
können, was sie im Moment gerade brauchen.
Karin Bütikofer, Jegenstorf
 
    
Wortlos
Buchstaben rosten langsam vor sich hin.
Sie bewegen sich träge in meinem Bauch,
nehmen ab und zu Kontakt auf zu meinem Kopf.
Aus Buchstaben entstehen schnell Worte.
Sie tanzen schneller in meinem Kopf,
nehmen ab und zu Kontakt auf zu meiner Persönlichkeit.
Aus Buchstaben und Worten entstehen schnell und noch schneller Sätze,
erzählen Geschichten aus längst vergangenen Zeiten.
Erinnerungen aus meiner gespeicherten Bildergalerie werden sichtbar
und zaubern mir Konturen auf mein Gesicht.
Wortlos – Wortvoll
Karin Bütikofer, Jegenstorf
 
    
Fünf Pagoden
Fünf Pagoden
Ich setze mich zu ihnen
und werde stille
unter meinem Gesäss
wachsen Wurzeln
aus uralter Zeit
Fünf grosse rote Kerzen
habe ich mitgebracht
Flammen der Weihung
Flammen der Dankbarkeit
Deine Erinnerungen
verrätst du mir nicht
Meine sind die Stupas aus Nepal
Ich umschreite jede Pagode
Innerlich drehe ich Gebetsmühlen
 
    
Tempelwächter
Da steh ich. Lange schon.
Stehe da und wundere mich, lange schon. Eigentlich weiss ich nicht wie Tempelwächter aussehen. Ich bin nämlich der einzige weit und breit. Und mich selbst sehen kann ich auch nicht. Ich stehe da, schwer und kompakt, unbeweglich. Lange schon.
Aus Holz von einem Mammutbaum sei ich, das höre ich immer wieder von Menschen, die mich bewundern. Oft denke ich an meinen Mammutbaum, wie der wohl ausgesehen hat? Mächtig stelle ich ihn mir vor. Gross, ausladend und stark.
Ich bin also ein Tempelwächter. Lange schon. Seit meine Künstlerin mich kreierte. Monate schaffte sie, Späne flogen, Düfte entströmten dem Holz.
Ein Fremdling sei ich, hörte ich kürzlich Menschen sagen. Eigentlich müsste ich vor einer Pagode in China stehen. Und, viele meiner Kollegen seien Löwen, gerade dort in China. Auch das hörte ich und frage mich wie wohl Löwen aussehen?
Da stehe ich also. Lange schon. Weit und breit ist kein Tempel zu sehen. Mein Tempel ist das viele Grün, die Büsche und Bäume um mich herum. Der weite Himmel über mir, das taunasse Gras, auf dem ich stehe.
Ab und zu kommt ein Vogel mich besuchen, ruht sich auf mir aus. Da verhalte ich mich still, um ihn nicht zu stören. Regen wäscht mich prasselnd, die Sonne trocknet und wärmt mich. In den dunklen Nächten höre ich Käuzchen.
Ich fühle mich wohl hier. Stehe gerne hier und halte Wache.
Lange schon.
Ich bekam den Tempelwächter, sollte dazu etwas schreiben. Kannte ihn noch nicht, den schwarzen Wächter vor dem Eiskeller, sonst wäre meine Geschichte eine ganz andere geworden.
Irmengard Saller, Zürich
__________schreibplatz.ch__________
